1 Geltungsbereich und Zweck
1.1 Zielsetzung und Fragestellung
Das Ziel der vorliegenden Leitlinie ist es, einen Überblick zum aktuellen wissenschaftlichen Forschungsstand in Bezug auf dysregulierten Bildschirmmediengebrauch in der Kindheit und Jugend sowie den damit verbundenen Risiken und Umgangsmöglichkeiten darzustellen. Darauf aufbauend werden Empfehlungen von Expert*innen zur Prävention von zeitlich, inhaltlich oder funktional problematischer Nutzung von Bildschirmmedien durch Kinder und Jugendliche und ihre Bezugspersonen innerhalb der pädiatrischen Versorgung aufgestellt. Diese sollen die Beziehung zwischen Expert*in und Patient*in bzw. Klient*in unterstützen und konkrete Handlungsempfehlungen für den Einsatz und Umgang mit Bildschirmmedien geben. Weiterhin werden interessierten Eltern ebenfalls Empfehlungen zur Prävention dysregulierten Bildschirmmediengebrauchs in der Familie gegeben. Dies umfasst:
Möglichkeiten, wie Eltern einerseits direkt durch verbale Vereinbarungen und Regeln, andererseits durch Nutzung von technischem Kinderschutz auf Hardware oder Softwareebene regulierend auf den digitalen Medienkonsum ihrer Kinder einwirken können.
Wie Eltern indirekt über eine Stärkung allgemeiner Erziehungskompetenzen sowie Anregungen für eine aktive, bildschirmfreie Alltagsgestaltung für Kinder unterstützt werden, alltagstaugliche Alternativen zum Bildschirm als „Babysitter”, „Streitschlichter”, „Belohnung/Bestrafung” etc. zu entwickeln, und
wie der elterliche Medienkonsum reguliert werden kann, um eine Gefährdung der Beziehungs- und Bindungsqualität zwischen Eltern und insbesondere ihren kleinen Kindern zu vermeiden.
1.2 Versorgungsbereich
Präventionsmedizin
Ambulante Versorgung
Primärärztliche Versorgung
Spezialärztliche Versorgung, inklusive Sozialpädiatrische Zentren (SPZ)
1.3 Patient*innenzielgruppe
Kinder und Jugendliche im Alter von 0 bis 18 Jahren und deren Familien
1.4 Adressaten
Die vorliegende Leitlinie richtet sich an Kinder- und Jugendmediziner*innen, Ärzt*innen für Sozial- und Jugendmedizin, Ärzt*innen für Suchtmedizin sowie Eltern und dient zur Information für Kinder- und Jugendpsychiater*innen. Sie soll zudem übergeordnete Organisationen, wie z. B. Krankenkassen, Schulen, Kindergärten, Jugendämter, Schulämter, Rentenversicherungsträger, Erziehungsberatungsstellen, Versorgungsämter und andere Personen und Einrichtungen informieren, die sich mit Fragen zu Kindergesundheit und Kindeswohl auseinandersetzen.
1.5 Grenzen der Leitlinie
Aufgrund des heterogenen Forschungsstandes – in Anbetracht von Faktoren wie Bildschirmzeit, Kindesalter, Medientypen u. ä. – bezüglich der positiven sowie negativen Effekte von Bildschirmmedienkonsum in der Kindheit, stellen Empfehlungen durch Expert*innen eine sinnvolle Herangehensweise dar, um Kinder vor den möglichen Folgen dysregulierten Bildschirmmediengebrauchs zu schützen. Die Empfehlungen der Leitlinie beruhen auf dem Konsens von Expert*innen, die ihre jeweiligen Fachgruppen vertreten sowie auf Studien und systematischen Übersichtsarbeiten. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der technologische Fortschritt insbesondere im Zusammenhang mit Bildschirmmedien schneller voranschreitet, als deren Auswirkungen durch Studien untersucht werden können. Daher sollte in Zukunft das in der EU-Verfassung verankerte Vorsorgeprinzip greifen: Dieses rechtliche Prinzip kehrt die Beweislast in solchen Fällen um, in denen von einer neuen technologischen Entwicklung ein gravierendes Risiko für Mensch und/oder Umwelt ausgehen könnte. In diesem Fall müsste die Herstellerfirma beweisen, dass ihre Geräte oder Anwendungen Kindern nicht langfristig schaden, bevor das Produkt für diese Zielgruppe großflächig vermarktet werden darf.
1.6 Weitere Dokumente zu dieser Leitlinie
- Elternversion